Auf in die verrückte Stadt in der Wüste
Als ich als Jugendlicher das erste Mal einen Kalifornien-Reiseführer durchblätterte, stieß ich plötzlich auf eine ziemlich bunte Seite. Dort ging es um eine Stadt namens Las Vegas, die mitten in der Wüste liegt und in der es sonst nur noch einen Flughafen und Casinos gibt.
Natürlich stimmt das alles nicht so ganz. Doch es ist zumindest das, was einem einfällt, wenn man an Las Vegas denkt. In diesem Beitrag nehme ich die Stadt daher etwas genauer unter die Lupe.
Zunächst einmal liegt Las Vegas geographisch gar nicht in Kalifornien, sondern im US-Bundesstaat Nevada. Allerdings befindet sich die Stadt in einem Grenzgebiet der drei Staaten Arizona, Kalifornien und Nevada. Vermutlich empfehlen genau deshalb auch viele Kalifornien-Reiseführer eine Reise dorthin. Und ich schließe mich dem Tipp an. Von Los Angeles fährt man nur zwischen vier und fünf Stunden bis nach Vegas. Zudem gibt es täglich von allen Flughäfen an der Westküste mehrere Verbindungen nach Las Vegas.
Am meisten Freude macht die Fahrt mit dem Auto. Im Auto lässt sich die schier endlose Landschaft der Mojave-Wüste viel besser genießen. Außerdem lässt sich so noch eine Pause bei den Barstow Outlets einlegen. Hier kann man günstig shoppen und sich für den restlichen Urlaub und zuhause mit Klamotten eindecken. Und falls der Hunger kommt, steht hier auch eine Filiale von In-N-Out Burger. Alles mitten in der Wüste von Kalifornien.
Endspurt nach Sin City
Frisch eingedeckt und gestärkt erreicht man dann Las Vegas nach etwa drei weiteren Stunden. Auf dem Weg dorthin begegnet einem dann noch die Straße mit dem wohl komischsten Namen der Welt, die Zzyzx Road. Die Zzyzx Road scheint auf den ersten Blick ins Nirgendwo zu führen. Doch am südlichen Ende der Straße befinden sich Einrichtungen der University of California.
Sobald man in Nevada ankommt, begegnen einem erstmal riesige Solaranlagen, die zum Teil auch den Strom für Las Vegas erzeugen. Ein eigenes Atomkraftwerk besitzt die Stadt nicht. Große Teil des Stroms erzeugt man inzwischen mit Wasser- und Solarkraft.
Nährt man sich Las Vegas allmählich, dann erkennt man auch sofort, wo der ganze Strom verbraucht wird.
Welcome to Fabulous Las Vegas
Es leuchtet und blinkt überall. Spätestens jetzt, wenn man die Stadtgrenze von Las Vegas erreicht kommt der Zeitpunkt, den Song „Viva Las Vegas“ von Elvis Presley aufzulegen. Denn diese Stadt lebt wirklich, Tag für Tag und Nacht für Nacht.
Verlässt man den Freeway am Exit 33, kann man von hier aus auf den South Las Vegas Boulevard fahren. Nach etwa 500 Metern begrüßt einen dann ein buntes Schild mit der Aufschrift: „Welcome to Fabulous Las Vegas“.
Das Schild steht hier bereits seit 1959 und natürlich hat man es damals so auffällig wie möglich gestaltet. Nun steht es dort schon über 70 Jahre, knallig bunt, bestückt mit Leuchtröhren und umgeben von ein paar Palmen. 1993 gab es zwar Bestrebungen, das Schild abzureißen und durch ein Neues zu ersetzen. Doch das passte den Bewohnern und Besuchern von Las Vegas gar nicht in den Kram. Man beschloss, das Schild zu renovieren und es technisch auf den neuesten Stand zu bringen.
Das berühmte Schild zieht die Touristen magnetisch an. Täglich stehen die Touristen Schlange, um mal eben ein Foto mit dem Schild zu schießen. Für Busse gibt es deswegen sogar einen extra Parkplatz. Sinn und Zweck des Schildes ist es aber auch, jeden zu begrüßen, der nach Las Vegas kommt, um ein bisschen Spaß zu haben und zu sündigen.
Doch wie erhielt Las Vegas eigentlich den Ruf, den es hat?
So entstand Las Vegas
Um zu verstehen, wie sich Las Vegas zur Hauptstadt der Glücksspiele entwickeln konnte, müssen wir bis ins 19. Jahrhundert zurückgehen.
Im Jahr 1829 verirrte sich der erste Mensch mit europäischen Wurzeln in das Gebiet. Er hieß Rafael Rivera und war Pfadfinder. Gemeinsam mit 60 weiteren Menschen ritt er entlang des Old Spanish Trail nach Los Angeles, einer Handelsroute, die von Santa Fe (New Mexico) nach LA führte. Rivera löste sich von der Gruppe, um die Gegend zu erkunden. Dabei stieß er auf ein grünes Tal, in dem es Quellen mit Wasser gab.
Er informierte den Rest der Gruppe, die etwa 160 km entfernt wartete. Dann machte sich die Kolonne auf den Weg in das Tal. Sie nannten die Oase Las Vegas, was auf Englisch so viel bedeutet wie „The Meadows“ (dt. Die Auen) und fügten den Ort auf der Karte hinzu.
Die Gegend lockte aber vermutlich schon rund 11.000 Jahre zuvor durstige Reisende an. Im 20. Jahrhundert fand man nämlich in der Nähe der Fremont Street Werkzeuge aus Stein und verbrannte Knochen von Tieren.
Dennoch scheint der Besuch von Rivera und Co. der Stein zu sein, der die Entwicklung von Las Vegas ins Rollen brachte.
Die Expedition von John C. Fremont
Schnell sprach sich die Geschichte von der Oase mitten in der Wüste herum. Daher brach der Forscher John C. Fremont im Mai 1844 mit seinem Team nach Las Vegas auf, um mehr über die Region herauszufinden. Fremont schrieb dabei ein Tagebuch, in dem er die Entdeckungen seines Teams festhielt. Darin schreibt er von „zwei einzelnen großen Quellen“, an einem Lagerplatz mit dem Namen Las Vegas. Fremont und sein Team tranken nicht nur das Wasser aus den Quellen, sondern badeten auch darin.
Ein Jahr später veröffentlichte er das Buch. Es entpuppte sich als ein großer Erfolg und weckte Neugier bei den Lesern. Nach und nach kamen immer mehr Menschen nach Las Vegas, um sich die Region anzuschauen.
1848: Mexiko tritt Nevada und Utah an die USA ab
Als Rivera und Fremont Las Vegas erforschten, zählte das Gebiet noch zu Mexiko. Nachdem 1846 der Mexikanisch-Amerikanische Krieg ausbrach, kam jedoch alles anders. Zwar beendete man den Krieg 1848 mit dem Vertrag von Guadalupe Hidalgo. In diesem Vertrag stand aber, dass Mexiko das Land zwischen den Rocky Mountains und dem Pazifik an die USA abtreten musste. Und dazu zählte auch Nevada mit der Region um Las Vegas.
Mormonen & Gold
Im Jahr 1855 siedelten Mormonen in der Region an. Sie errichteten ein Fort, um sich vor Angriffen der indigenen Völker zu schützen. Von dem Fort stehen heute noch Teile beim Las Vegas Natural History Museum.
Die Mormonen machten aus Las Vegas ein Handelszentrum und kultivierten dort Obst und Gemüse. Zudem bauten sie in den Bergen Blei ab, um daraus Patronen für Waffen zu machen.
Als wenig später der Goldrausch begann, stieg die Zahl der Verbrechen in der Region an. Das brachte die Mormonen dazu, im Jahr 1858 sogar aus der Stadt zu flüchten.
Vom Gold zum Silber
Nachdem sich der Goldrausch gelegt hatte, stieg der Bedarf an anderen Rohstoffen. Die Industrie in Amerika benötigte dringend Blei, Eisen und Silber. Und vor allem Silber gab es in Nevada in großer Menge. Noch heute nennt man den Staat deswegen auch „The Silver State“.
Das führte, dass sich immer mehr Firmen ansiedelten, um Minen zu betreiben und die Rohstoffe zu fördern, was noch mehr Arbeiter in die Region zog.
Um die Rohstoffe zu transportieren, schloss man Las Vegas Anfang des 20. Jahrhunderts ans Eisenbahnnetz an.
1905: Die offizielle Gründung von Las Vegas
Am 15. Mai 1905 gründete man offiziell die Stadt Las Vegas. Allerdings noch nicht, um hier riesige Casinos zu bauen. Zuvor nahm man die Bahnstrecke zwischen Los Angeles und Salt Lake City in Betrieb, die San Pedro, Los Angeles & Salt Lake Railroad.
Da ein Teil der Strecke durch die Wüste verlief und Las Vegas sich als Oase mitten in der Wüste befand, eignete sich der Ort somit als eine Art Rasthof. Also machte man aus Las Vegas eine so genannte Railroad Town.
Vier Jahre später gründete man in Nevada das Clark County. Las Vegas wählte man als Kreisstadt für die Region aus, die man nach dem Politiker William A. Clark benannte. Clark trug maßgeblich dazu bei, die Eisenbahn in der Region zu bauen.
Nach und nach kamen immer mehr Menschen in die Gegend. So lebten im Jahr 1930 bereits 5.165 Menschen in Las Vegas.
Las Vegas ab 1930: Ein Staudamm, Casinos und Atomboben
Als 1931 der Bau des Hoover Dams begann, machten sich noch mehr Menschen auf den Weg in die Wüste. Hierbei handelte es sich vor allem um junge Männer, die in den Minen arbeiteten oder beim Bau des Hoover Dams mitwirkten.
Die jungen Männer mussten täglich hart arbeiten und nutzten den Abend, um sich zu vergnügen. So entstanden in Las Vegas die ersten Bars, Clubs und Hotels. Als man im Jahr 1931 dann endgültig das Glückspiel legal machte, legte man offiziell den Grundstein für den Weg zur Hochburg für Casinos.
Das erste Casino-Hotel in Las Vegas war das „Golden Gate“. Zwar existierte das Gebäude bereits seit 1906 als Hotel. Sein Geld verprassen konnte man hier aber erst ab 1931. Noch heute steht das „Golden Gate“ im „Alten Las Vegas“ an der Fremont Street. Mit dem El Rancho Vegas eröffnete 1941 das erste richtige Luxushotel am heutigen Strip. Durch die Hotels am Strip wollte man mehr reiche Bürger in die Wüste zu locken, damit sie dort ihr Geld verspielten.
Mit dem Zweiten Weltkrieg kam dann auch die Rüstungsindustrie nach Nevada. Später testete das Militär in der Wüste von Nevada auch Atomwaffen. In den 50er-Jahren führte man die Tests sogar als Attraktion für Touristen durch.
Leider ein weiterer dunkler Teil in der Geschichte der USA.
Las Vegas: There's No Business Like Show Business
Nach und nach zog man weitere Hotel und Casinos in der Stadt hoch. Unter anderem entstand auch das Hotel Flamingo. Bugsy Siegel, ein Mann der Mafia, beteiligte sich an dem Projekt. Am Ende kostete der Bau des Hotels sechsmal so viel wie geschätzt. Das gefiel den Geldgebern jedoch gar nicht. Also ließen sie Siegel in seinem Haus in Beverly Hills erschießen.
Die Zahl der Verbrechen stieg durch den Einzug der Mafia wieder an, da die Banden um die Macht kämpften. Viele Menschen, die direkt oder indirekt mit der Mafia zu tun hatten, starben oder verschwanden plötzlich.
Und wo wir gerade von Kontakten zur Mafia sprechen: Als das Flamingo im Jahr 1946 feierlich die Pforten öffnete, trat dort Frank Sinatra auf. Sinatra sagt man bis heute Kontakte zur Mafia nach. Bugsy Siegel erlebte die Eröffnung des Hotels übrigens noch mit.
Durch die Auftritte von Stars wie Sinatra entstand auch das Show Business in der Stadt. Sinatra sang später mit seinen Kollegen Dean Martin und Sammy Davis Jr. im berühmten Sands Casino. Heute steht an selber Stelle das Venetian Resort Hotel.
Von nun an galt die Stadt sowohl als Hochburg des Glücksspiels als auch des Show Business. Es folgten weitere Künstler, die die Bühnen von Vegas betraten. Elvis Presley sang seine großen Songs, Siegfried & Roy zauberten im Hotel Mirage.
Von den heutigen Stars traten unter anderem Elton John, Madonna oder Celine Dion in den Casinos auf.
Von Ägypten nach New York, von Paris nach Rom und Venedig - Eine Weltreise in Las Vegas
Heute besuchen im Jahr rund 40 Millionen Touristen Las Vegas. Nicht nur wegen der einarmigen Banditen, der Roulette-Tische und den Shows. Während im 20. Jahrhundert die Mafia die Hotels besaß, sind es nun viele reiche Investoren, die noch mehr Wert auf Prunk und Glanz zu legen scheinen.
So gibt es heute einen Eiffelturm, ein Kolosseum oder eine Pyramide am Strip. Sogar Venedig und die Skyline New Yorks hat man kopiert. Im Norden des Strips steht ein riesiger Turm. Für Bier-Fans hat man hier sogar ein eigenes Hofbräuhaus gebaut.
In Las Vegas kann man also jeden Tag eine Weltreise machen. Die meiste Zeit dürften die Touristen aber eher mit „Gambling“ verbringen, also mit dem Glücksspiel. Denn genau damit verdienen die Casino-Betreiber jedes Jahr Milliarden an Dollar.
Wirklich reich werden hier eben nur die Casino-Besitzer. Dennoch macht es sehr viel Freude, über den Strip zu spazieren. Dabei kann man dann ab und zu auch mal ein paar Dollar-Scheine in die Automaten stecken. In der Hoffnung, dass am Ende doch ein bisschen was rausspringt.
Eine Reise nach Vegas lohnt sich aber immer. Und da uns das Schild ja schon in „Fabulous Las Vegas“ begrüßt hat, beginnen wir genau hier den Spaziergang über den Strip.